Dokumentation „Sex und Macht“, ZDF, vom 11.10.2023
Die Ankündigung zur neuen ZDF-Doku „Sex und Macht“ klingt dramatisch: „Mehr als die Hälfte aller Frauen erlebt in ihrem Berufsleben sexualisierte Gewalt“, heißt es bereits im Begleittext der Mediathek. Und weiter: „Acht Frauen aus Kultur, Politik und Wirtschaft berichten, wie sie unter dem Machtgehabe ihrer Chefs gelitten haben.“ Der Zuschauer weiß sofort: Es geht um toxische Männer, es geht um #MeToo.
Die Ankündigung weist auf eine vermeintlich verheerende Statistik hin: Allgegenwärtige Gewalt gegen jede zweite Frau an deren Arbeitsplatz. Doch das stimmt so nicht.
„Mehr als die Hälfte aller Frauen erlebt in ihrem Berufsleben sexualisierte Gewalt“, Minute 30:49
Das ist verdreht.
Das ZDF zitiert hier eine europäische IFOP-Umfrage, die die Zahl zwar ausweist (vgl. IFOP, 68%). Gleichzeitig führt die Redaktion aber auch die Antidiskriminierungsstelle des Bundes als Quelle für Gewaltformen an. Was dabei unerwähnt bleibt: Laut zitierter, repräsentativer Umfrage eben jener Antidiskriminierungsstelle berichten nur 13 Prozent der Frauen insgesamt von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz und nicht die Hälfte (vgl. Antidiskriminierungsstelle des Bundes, S.58). Unter diesen nicht berichteten 13 Prozent entfalten sich verschiedene Gewaltformen (Ebd., S.63), die in der Dokumentation dann wiederum Erwähnung finden. Damit betreibt die Redaktion Rosinenpickerei: Sie stellt sich ihre Gewaltstatistiken so zusammen, wie es ihren Aussageabsichten entspricht, anstatt die Studienergebnisse konsistent darzustellen. Das ist Framing durch Weglassen und Umdeuten.
Wir fragen:
Wie kann es sein, dass eine basale journalistische Sorgfaltspflicht wie das korrekte Lesen und konsistente Zitieren von Studienergebnissen im ÖRR wiederholt nicht funktioniert?
Wir fordern:
Immer wieder beobachten wir, dass Redaktionen im ÖRR, gerade im ZDF, wissenschaftliche Studien falsch oder stark verzerrt wiedergeben [1][2][3]. So ergeben sich politisch und gesellschaftlich inkorrekte Deutungen – etwa, dass jede zweite Frau Gewalt am Arbeitsplatz erlebt, oder, wie an anderer Stelle, dass jeder zweite Deutsche antimuslimischen Rassismus hegt. Diese Aussagen stimmen nicht und sind trotzdem von hoher gesellschaftlicher Bedeutung, weil sie Standards der öffentlichen Wahrnehmung setzen. Wir fordern den ÖRR auf, keine Sachverhalte in Daten hinein zu interpretieren oder wegzulassen, die das nicht hergeben, und ein besseres Qualitätsmanagement in den Redaktionen einzuführen.
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