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ARD und Rechtsextremismus: Umfassend informieren statt einseitig belehren

Im französischen Dorf Crépol hatte am 18. November eine Bande junger, teils migrantischer Männer einen Jugendlichen erstochen und einige andere u.a. schwer verletzt. Der ÖRR berichtet wenig über den Vorfall. Der Fokus liegt auf rechtsradikalen Protesten aus Anlass der Tat. Das ist einseitig und führt zu einem Informationsdefizit.


Tagesschau-Artikel, ARD, vom 28.11.2023



Wer jetzt, nach vier Wochen, auf den einschlägigen ÖRR-Nachrichtenseiten im Internet nach der Messerattacke auf einem Dorffest in Crépol sucht, findet wenig. Während das ZDF die Tat vollständig ignoriert, handelt die einzige Tagesschau-Meldung dazu von einem Aufmarsch Rechtsextremer in Reaktion auf die Tat – zehn Tage danach. Der Täter habe „die französische Nationalität“, lernt der Leser des Artikels. Und weiter heißt es: „Laut Medienberichten sollen alle verdächtigen Männer mit Migrationshintergrund sein.“ Mehr nicht. Details zu dem Vorfall an sich werden nicht genannt. Stattdessen im Fokus der Berichterstattung: Die Instrumentalisierung der Tat durch Rechtsextreme.


Informationsdefizit

Genaueres lernt man erst aus der Presse, die teilweise deutlich früher deutlich mehr Einzelheiten veröffentlichte [1][2][3]. Nach übereinstimmenden Berichten sollen einige Täter vorbestraft und migrantisch-stämmig sein. Ein Augenzeuge berichtet davon, dass die Täter gerufen haben sollen "Wir wollen Weiße abstechen". Ein anderer berichtet, die Jugendlichen hätten das Fest mit langen Küchenmessern umstellt. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Mordes und versuchten bandenmäßigen Mordes.


Tagesschau: "Rechtsextreme behaupten: Das geschah, weil er weiß war". Was nicht erwähnt wird: Dasselbe berichten Augenzeugen.

Einseitige Lesart

Die genannten Details waren bereits früh bekannt. Im breiten ÖRR-Online-Nachrichtenangebot ist Tage später davon trotzdem fast nichts zu lesen. Der einzige (!) Tagesschau-Artikel konzentriert sich auf die Instrumentalisierung der Tat durch Rechtsextreme: Wie viele aufmarschiert sind (Einhundert), was sie riefen (u.a. "Frankreich den Franzosen"), wie sie bewaffnet waren (Eisenstangen und Baseballschläger), wie viele davon festgenommen wurden (Zwanzig wegen Gewalt gegen die Polizei), welcher rechtsextreme Politiker anwesend war (Eric Zémmour) und dass sie antiweißen Rassismus als Tatmotiv behaupten – all das lernt der Leser detailreich. Dies steht in einem Missverhältnis zu den Informationen über die Tat selbst, die bereits publik waren.


Wir fragen:

Die Messerattacke von Crépol ist in Frankreich zum Politikum geworden - das titelt die ARD selbst. Warum finden ÖRR-Rezipienten dann im ZDF keinen bzw. in der ARD nur einen einzigen Bericht dazu, der auch noch einseitig-unvollständig ist und mit einer Woche Verzug im Vergleich zu privaten Medien erscheint? Wie wird der Vorfall in den demokratischen Parteien diskutiert, welche Konsequenzen zieht die Regierung in Paris daraus?


Wir fordern:


Der ÖRR soll umfassend informieren statt einseitig zu belehren.


Das Gefühl, das durch Informationsdefizit und einseitige Lesart entsteht, ist, dass der ÖRR seine Rezipient davor bewahren will, in die Falle der Rechtsextremen zu tappen. Selbstverständlich sollen ÖRR-Journalisten dafür  sensibilisieren, wie Rechtsextremisten solche Verbrechen für ihre Zwecke ausnutzen. Sie überschreiten aber ihre Grenzen, wenn das zulasten wichtiger journalistischer Grundinformationen geht, wie etwa Hintergrundinformationen oder Augenzeugenberichten zur Tat selbst.

 

Der Leser oder Zuschauer des ÖRR sollte grundsätzlich darauf vertrauen können, über die Grundinformation eines Geschehnisses mit politischer Tragweite informiert zu sein. Dies besagt der Grundversorgungsauftrag für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Der Leser oder Zuschauer des ÖRR sollte ferner ausgewogen über verschiedene Perspektiven auf dieses Geschehnis mit politischer Tragweite informiert sein. Das besagt wiederum das Prinzip des Binnenpluralismus', das für den ÖRR im Unterschied zu privatwirtschaftlichen Medien (Außenpluralismus) gilt.

 

Konkret bedeutet das: Wer sich über die Attacke in Crépol informieren will, sollte alles Grundsätzliche im ÖRR finden und dafür nicht andere Quellen suchen müssen. Er soll genauso erfahren, dass der Täter laut Augenzeugen "Wir stechen Weiße ab" gerufen haben soll, wie dass Rechtsextreme Tage später "antiweißen Rassismus" unterstellen. Er soll auf ein vollständiges Lagebild vertrauen können. Dies ist hier nicht erfüllt.


 








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Unter dem Dach dieser Initiative werden zunächst zwei Projekte realisiert: Erstens erfolgt in einem ÖRR-Blog eine systematische Analyse der täglichen politischen Berichterstattung des ÖRR insbesondere zu den oben genannten Kofliktthemen. Einseitige und/oder sachlich falsche Berichte werden wir regelmäßig dokumentieren. Diese Befunde werden darüber hinaus in einem Newsletter „Denkzettel ÖRR“ monatlich zusammengefasst und bewertet. Darauf aufbauend erfolgt zweitens eine längerfristig angelegte Studie, die sich dem Thema „Framing im ÖRR“ widmet.

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Der Fokus der Beobachtung liegt dabei auf einem festen Sample reichweitenstarker Nachrichtenformate aus ARD (Tagesschau/Tagesthemen), ZDF (Heute/Heute Journal), Deutschlandfunk (Informationen am Morgen/Mittag/Abend) und dem Jugendformat Funk (u.a. Podcast „Die Woche“). Hinweise und Beschwerden über die Berichterstattung auch aus anderen Sendeformaten nehmen wir gerne unter der E-Mailadresse redaktion@denkfabrik-r21.de entgegen.

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