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Doch keine "Rechtsdrift"? ÖRR verfehlt Informationsauftrag

ARD-DeutschlandTrend Extra, vom 29. September 2023

Letzte Woche noch schlug der ÖRR Alarm zu einer angeblichen Rechtsdrift der Gesellschaft: "Immer mehr Deutsche teilen laut einer Studie rechtsextreme Einstellungen. Demnach hat sich ihr Anteil im Vergleich zu den Vorjahren praktisch verdreifacht", war zu lesen auf Tagesschau.de. Andere Formate des ÖRR verbreiteten diese vermeintlich alarmierenden Befunde, die im Rahmen der neuen "Mitte-Studie" der Friedrich-Ebert-Stiftung am vergangenen Donnerstag vorgestellt wurden. Die Forschergruppe hatte einen sprunghaften Anstieg von 5 Prozentpunkten im Vergleich zu 2021 festgestellt. Die Studie ist in Aufmachung und Methodik umstritten. R21 hatte darüber berichtet.


Heute verbreitet die ARD ganz andere Töne: Laut neuem ARD-Deutschlandtrend Extra haben "ausgeprägt rechte oder rechtsextreme Einstellungen seit 2016 nicht zugenommen". Von einer Verdreifachung ist keine Rede mehr. Seit Jahren stagniert der Wert bei rund 8 Prozent. Befragt wurden 1.326 Menschen nach repräsentativen Maßstäben. Es wurden identische Fragen zu denen der Mitte-Studie gestellt.


"Rechtsextreme und ausgeprägt rechte Überzeugungen haben sich in dieser Stimmungslage nicht verstärkt, sondern liegen - im Rahmen der statistischen Abweichung - exakt auf dem Niveau von 2016", berichtet Jörg Schönenborn in seinem Artikel. „Zur Messung der persönlichen politischen Einstellung wurden den Befragten sechs wissenschaftlich anerkannte Standardfragen gestellt, etwa zur Haltung gegenüber einer Diktatur oder dem Nationalsozialismus oder zur Ausländerfeindlichkeit. Fragen und Auswertung sind gegenüber 2016 identisch". Bis jetzt aber hat keine ÖRR-Redaktion das Offensichtliche getan und eine kritische Verbindung zur Berichterstattung über die Befunde der Mitte-Studie von letzter Woche hergestellt.


Wir fragen: Warum verbreitet der ÖRR, hier insbesondere die ARD, innerhalb einer Woche zwei gegensätzliche Aussagen zur Entwicklung von rechtsextremen Einstellungen in Deutschland, ohne die Widersprüchlichkeit und den konträren Gehalt der zugrunde liegenden Studien zu thematisieren? Studien zu politischen Einstellungen gibt es verschiedene und die Befunde können abweichen. Wenn aber zunächst in großer Aufmachung über eine Studie berichtet wird und deren Befunde mit einer eigenen Umfrage wenige Tage später aushebelt werden, dann muss dies benannt, dann müssen die Befunde zueinander in Beziehung gesetzt und der eklatante Widerspruch offengelegt werden. Dieser Informationsauftrag wurde verfehlt.


Wir fordern: eine selbstkritische Reflexion des ÖRR über sein dramatisierendes Framing letzte Woche zu einer "Rechtsdrift der Gesellschaft"[1], "Zerbröselnden Grundwerten"[2] oder rechtsextremen "Kippunkten"[3] infolge der Mitte-Studie – gerade wenn die eigenen erhobenen Umfragewerte dem widersprechen.











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R21 – Initiative für einen besseren ÖRR

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Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist eine Errungenschaft, die wir wertschätzen und erhalten wollen. Aber die Klagen über tendenziöse Berichterstattung, über handwerkliche Mängel, über „links-grüne“ Meinungsdominanz nehmen stetig zu. Ebenso wachsen die Zweifel, wie ernst der ÖRR das Ausgewogenheitsgebot seines Programmauftrags nimmt, wenn bei nahezu allen politischen Konfliktthemen, insbesondere bei Klima, Energie, Migration und Identitätspolitik einseitige Narrative verbreitet werden. Die Denkfabrik R21 will mit ihrer „Initiative für einen besseren ÖRR“ sicherstellen, dass das Ausgewogenheitsgebot befolgt und professionelle journalistische Standards eingehalten werden.

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Unter dem Dach dieser Initiative werden zunächst zwei Projekte realisiert: Erstens erfolgt in einem ÖRR-Blog eine systematische Analyse der täglichen politischen Berichterstattung des ÖRR insbesondere zu den oben genannten Kofliktthemen. Einseitige und/oder sachlich falsche Berichte werden wir regelmäßig dokumentieren. Diese Befunde werden darüber hinaus in einem Newsletter „Denkzettel ÖRR“ monatlich zusammengefasst und bewertet. Darauf aufbauend erfolgt zweitens eine längerfristig angelegte Studie, die sich dem Thema „Framing im ÖRR“ widmet.

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Der Fokus der Beobachtung liegt dabei auf einem festen Sample reichweitenstarker Nachrichtenformate aus ARD (Tagesschau/Tagesthemen), ZDF (Heute/Heute Journal), Deutschlandfunk (Informationen am Morgen/Mittag/Abend) und dem Jugendformat Funk (u.a. Podcast „Die Woche“). Hinweise und Beschwerden über die Berichterstattung auch aus anderen Sendeformaten nehmen wir gerne unter der E-Mailadresse redaktion@denkfabrik-r21.de entgegen.

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