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Israel-Solidarität eines intellektuellen Muslims reicht nicht aus

Heute Journal Update, ZDF, vom 10. Oktober 2023



Die Jubelschreie pro-palästinensischer Aktivisten auf deutschen Straßen sind seit Tagen allgegenwärtig. Deren Anhänger seien innerlich zerrissen – das zumindest vermittelt uns der öffentlich-rechtliche Rundfunk. R21 hatte berichtet. Die Gewaltverherrlichung des Massakers der Hamas an israelischen Zivilisten ist inakzeptabel. Das stellt der ÖRR unmissverständlich fest. Aber wie wir mit offenbar wenig innerlich zerrissenen muslimischen Gewaltverherrlichern umgehen sollen – dazu kein Wort.


Stattdessen distanziert sich ein intellektueller Muslim: Im gestrigen Heute Journal Update kommt Erin Güvercin zu Wort. Als Islamwissenschaftler und Mitglied der Deutschen Islam Konferenz, ist er klar in seiner Aussage: Er ist beschämt und frustriert ob der Stellungnahme des Zentralrats der Muslime, welcher den Gewaltakt nicht verurteilt, ohne im nächsten Satz die israelische Siedlungspolitik zu kritisieren. Dabei verharrt das ZDF-Interview auf der Ebene einer Salondebatte und verfehlt es erneut, den offenbaren Integrationsunwillen vieler Muslime in Deutschland zu benennen. Woran ist das erkennbar?


1. Erneut schräger Vergleich: Intellektueller Muslim als Fürsprecher der "schweigenden Masse"


"Fühlen Sie sich als Muslim angemessen vertreten?" lautet die Suggestivfrage des Moderators Christopher Wehrmann an Erin Güvercin. Selbstverständlich nicht, weiß der Zuschauer schon vor seiner Antwort. Er fordert, dass die muslimische Gemeinschaft die Stimme erhebt - gegen Gewalt. Später trifft Güvercin eine Aussage, deren Muster wir kennen: "Es gibt eine schweigende Masse an Muslimen, die klar an der Seite von deutschen Jüdinnen und Juden stehen". Ist das so klar? Akzeptiert denn die angebliche schweigende Mehrheit an der Seite der deutschen Juden auch die Existenz des Staates Israel akzeptieren? Und selbst wenn ja: Was machen wir mit denjenigen, die Süßigkeiten zur Feier des Massakers verteilen und essen? Dazu keine Nachfrage von Moderator Wehrmann. Damit fungiert Güvercin erneut als opportuner Zeuge für ein bekanntes mediales Narrativ: Spaltung und Zerrissenheit der muslimischen Gemeinschaft. Es mag nicht falsch sein. Aber es ist unzureichend. Wir sehen, dass neben Spaltung vor allem auch struktureller Antisemitismus in der muslimischen Gemeinschaft offen zutage liegt. Das ZDF thematisiert das nicht.


2. Zeitenwende in der Religionspolitik heißt Zeitenwende in der Migrationspolitik


Fachmann Güvercin spricht sich im Interview für eine "Zeitenwende in der Religionspolitik" aus. Damit meint er Verbote bestimmter Religionsgruppierungen wie dem Hamas-Unterstützungsnetzwerk Samidoun (verantwortlich für die Süßigkeitenaktion). Die innere Realität der Verbandsstrukturen müsse besser erkannt werden, mahnt er an. Verpasst wird die Chance, Religionspolitik mit Migrationspolitik zu verknüpfen. Sollte die deutsche Staatbürgerschaft bei offener Gewaltverherrlichung entzogen werden? – eine Frage, die man sich vom Moderator Wehrmann gewünscht hätte.


3. Framing: Zerrissenheit unter Muslimen ist legitim, Zerrissenheit der bürgerlichen Mitte ist "Rechtsruck"


Bemerkenswert ist, wie engagiert der ÖRR über die Zerrissenheit und das Schamgefühl der muslimischen Gemeinschaft berichtet, während er diese Differenzierungskompetenz an anderer Stelle vermissen lässt – zum Beispiel wenn es, wie vor zwei Wochen, um vermeintlich rechtsextreme Einstellungen in der Deutschen Bevölkerung geht. "Rechtsextremismus sickert in die Gesellschaft ein" und "Grundwerte zerbröseln" hieß es dazu völlig unverhohlen in ARD & ZDF, obwohl die zugrundeliegende Mitte-Studie der Friedrich Ebert Stiftung stark umstritten ist. Die Verwendung des Begriffs Ausländer wird darin beispielsweise als fremdenfeindlich deklariert (FES, S.54). Wie also steht es um die innere Zerrissenheit der Mitte? Diese Frage stellte der ÖRR erst gar nicht. Das Urteil stand schon fest: Regierungs- und Migrationsskepsis sind auch ohne die Verherrlichung rechtsextremer Gewalt keine Zerrissenheit, sondern schon ein Rechtsruck. "Free Palestine"-Jubelschreie nach einem Massenmordkommando der Hamas aber sind sehr wohl Ausdruck der Zerrissenheit, wenn es nach dem ÖRR geht.


Wir fragen: Warum bleiben die Themen Integrationsunwillen und muslimischer Antisemitismus konsequent außen vor, wenn es um die Berichterstattung über pro-palästinensische Kundgebungen geht? Am selben Abend hatte Sievers im Heute Journal bemerkt, der Jubel auf deutschen Straßen sei „schwer erträglich“, derartige Reaktionen seien aber „alles andere als neu“. Konsequenzen daraus wurden nicht diskutiert.


Wir fordern erneut: In der Befürwortung und auch Relativierung des Massakers manifestiert sich Integrationsunwille und Gewaltverherrlichung in Deutschland. Wir fordern, dass der ÖRR diesen Umstand klar benennt und politische Konsequenzen thematisiert. Darüber hinaus fordern wir, dass der ÖRR bei der Berichterstattung über Extremismus jeder Art gleiche Bewertungsmaßstäbe ansetzt. Das Narrativ „zerbröselnder Grundwerte“, das bezüglich eines vermeintlichen Zuwachses an rechtsextremen Einstellungen gebraucht wurde, sollte bei derart muslimisch-extremistischen Vorgängen genauso zur Anwendung kommen.

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Unter dem Dach dieser Initiative werden zunächst zwei Projekte realisiert: Erstens erfolgt in einem ÖRR-Blog eine systematische Analyse der täglichen politischen Berichterstattung des ÖRR insbesondere zu den oben genannten Kofliktthemen. Einseitige und/oder sachlich falsche Berichte werden wir regelmäßig dokumentieren. Diese Befunde werden darüber hinaus in einem Newsletter „Denkzettel ÖRR“ monatlich zusammengefasst und bewertet. Darauf aufbauend erfolgt zweitens eine längerfristig angelegte Studie, die sich dem Thema „Framing im ÖRR“ widmet.

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